Von Algorithmen, Chihuahuas und den Chancen der KI

Sie wird unser Leben verändern – nicht nur unseren Alltag und das Arbeitsleben, auch das Älterwerden. Doch eigentlich ist sie schon jetzt allgegenwärtig: Die Rede ist von “Künstlicher Intelligenz”, kurz KI.

Auch Sie, liebe Leser*innen, sind höchstwahrscheinlich schon mit KI in Berührung gekommen. Nutzen Sie z. B. gelegentlich Suchmaschinen wie Google? Vielleicht um nach dem Begriff “Künstliche Intelligenz” zu suchen? Und wurde Ihr Suchbegriff bei der Eingabe in das Suchfeld automatisch vervollständigt? In etwa so, dass Sie z. B. das Wort “künstliche” eingegeben haben und Ihnen, noch ehe Sie zu Ende geschrieben haben, das nächste Wort, in diesem Fall “Intelligenz”, vorgeschlagen wurde? Oder haben Sie schon einmal über das Internet Einkäufe getätigt, sich Videos angesehen oder Musik angehört und wurden Ihnen dabei Inhalte vorgeschlagen, die zu Ihrer bisherigen Suche gepasst haben? Vielleicht haben Sie auch schon einmal ein Navigationssystem wie Google Maps genutzt, um herauszufinden, wie Sie am besten von A nach B kommen? Oder Sie benutzen gelegentlich Übersetzungsprogramme, mit welchen sich ganze Sätze in eine andere Sprache übertragen lassen? Vielleicht besitzen Sie aber auch einen Sprachassistenten wie Alexa, Siri und Co.?

Wenn Sie eine oder mehrere dieser Fragen für sich mit “ja” beantworten können, dann sind Sie, wie viele andere Menschen auch, im ganz praktischen Sinne mit Künstlicher Intelligenz schon gut vertraut. Was sich aber genau hinter dem Begriff verbirgt, in welchen Bereichen KI sonst noch zum Einsatz kommt und welche Chancen und Risiken sie mit sich bringt, dahingehend besteht noch immer viel Aufklärungsbedarf. Nicht zuletzt auch deshalb, weil faszinierende Neuentwicklungen wie ChatGPT oder Dall-E, die mit KI oft in einem Atemzug genannt werden, den Eindruck vermitteln, dass wir es mit einer dem Menschen vergleichbaren Intelligenz zu tun haben. Kein Wunder, kann man doch mit dem Chatbot ChatGPT eine fast schon menschenähnliche Konversation führen, sich Geschichten, Aufsätze und Gedichte schreiben oder Programmiercodes ausgeben lassen.

Was heute als Künstliche Intelligenz bezeichnet wird, ist in der Tat äußerst beeindruckend – die Bezeichnung selbst, die uns schnell in die Welt der Science-Fiction Romane führt, ist jedoch recht unscharf. Auch wenn die KI-Programme teilweise so programmiert wurden, dass sie die menschliche Intelligenz simulieren, haben wir es mit keiner der Menschen vergleichbaren Intelligenz zu tun, die ein Bewusstsein, einen Verstand oder einen eigenen Willen besitzt. Vielmehr handelt es sich bei dem, was wir als KI bezeichnen, um Einzeltechnologien, die klar definierte Aufgaben eigenständig erledigen, wie z. B. Texte in andere Sprachen übersetzen oder Bilder, Muster und Daten erkennen. So kommt KI heute beispielsweise auch in der medizinischen Diagnostik zum Einsatz, wo sie bei der Früherkennung von Hautkrebs hilft.
Viele dieser Technologien basieren auf Maschinellem Lernen. Und hier lohnt es sich, ein paar Begriffe genauer zu betrachten, die für das Verständnis dessen, worum es bei KI eigentlich geht, wichtig sind.

Von Algorithmen und Lernenden Systemen

Das digitale Zeitalter ist jenes, in welchem uns Software-Programme Arbeit abnehmen oder erleichtern. Diese basieren auf Algorithmen, also auf konkreten Handlungsvorschriften, wie eine Aufgabe zu lösen ist. So verarbeitet ein Algorithmus die Eingabedaten (Input) nach zuvor genau festgelegten Regeln, um ein Ergebnis (Output) zu erzielen. Mit Algorithmen sind Sie auch schon lange vor der Veröffentlichung moderner KI in Berührung gekommen: Ganz gewöhnliche Taschenrechner stellen ein algorithmisches System dar, das die eingegebenen Daten nach den immer gleichen Regeln verarbeitet, um zu einem Rechenergebnis zu kommen. Als noch alltäglicheres Beispiel für einen Algorithmus lassen sich Kochrezepte anführen, da es sich bei ihnen um eine Schritt-für-Schritt-Anleitung handelt, die uns dabei hilft, ein bestimmtes Gericht zuzubereiten.

Doch gibt es auch algorithmische Systeme, bei denen der Lösungsweg nicht genau vorgegeben ist. Und hier kommen wir zu dem, was man heute als KI bezeichnet. Diese Systeme werden mit einer riesigen Menge an Daten trainiert, damit sie selbst Lösungswege für ein bestimmtes Problem finden. Dafür suchen sie in den Trainingsdaten nach Mustern, um daraus Entscheidungsregeln abzuleiten. Diesen Prozess bezeichnet man als Maschinelles Lernen. Die aus den Daten abgeleiteten Entscheidungsregeln bilden fortan die Grundlage des algorithmischen Systems (auch Entscheidungssystem). Auf diese Weise können algorithmische Systeme z. B. trainiert werden, Tumore auf Röntgenbildern festzustellen. Sie können aber auch dafür eingesetzt werden, Kreditkartenbetrug zu erkennen, wenn z. B. verdächtige Unregelmäßigkeiten in den Transaktionen auftreten. Die Art, wie Algorithmen lernen, bringt aber auch ein paar Herausforderungen mit sich.

Von Hunden, Katzen und Chihuahuas

Stellen Sie sich vor, Sie möchten eine Software entwickeln, die in der Lage ist, zwischen Hunde- und Katzenbildern zu unterscheiden. Sie zeigen dieser Software in einer Trainingsphase unzählige Bilder sowohl von Hunden als auch von Katzen, die nach dem Schema “dies ist ein Hund”, “dies ist eine Katze” gekennzeichnet wurden. Das Lernende System erkennt in den Bildern Muster, die fortan die Grundlage dafür bilden, auch neue, noch nicht bekannte Bilder entweder der Kategorie “Hund” oder der Kategorie “Katze” zuzuordnen. Hierfür ist es wichtig, dass in dem Datensatz genügend unterschiedliche Bilder von Hunden und Katzen vorkommen. Wenn z. B. in den Trainingsdaten keine Bilder von Chihuahuas vorkommen, könnte dies dazu führen, dass das System das Bild eines Chihuahuas aufgrund bestimmter äußerlicher Ähnlichkeiten (z. B. der Größe) fälschlicherweise der Kategorie “Katze” zuordnet. Und damit kommen wir zu einer grundsätzlichen Herausforderung bei der Entwicklung von KI-Systemen.

Diskriminierungsrisiken durch KI

So kommt KI nicht nur bei der Bilderkennung zum Einsatz, sondern kann potenziell überall da eingesetzt werden, wo es um datengestützte Entscheidungsprozesse geht. Zum Beispiel schon heute bei der Einstufung der Kreditwürdigkeit von Personen, bei der Bewerberauswahl von Unternehmen oder bei der Berechnung von Sozialleistungen. Hier kann es zu Diskriminierungen durch KI-Systeme kommen, die mit historischen Daten trainiert wurden. Das sind z. B. Daten, die bestimmte Best Practices aus der Vergangenheit enthalten. Wenn in diesen Daten aber auch diskriminierende Praktiken abgebildet sind, kann es sein, dass das lernende System diese als Muster erkennt und übernimmt.

Wenn z. B. ein Unternehmen, das in der Vergangenheit vor allem männliche Bewerber eingestellt hat, zur Bewerberauswahl einen KI-basierten Bewerbungsfilter einsetzt, kann es sein, dass das lernende System genau dieses Muster erkennt und reproduziert, indem es die eingehenden Bewerbungen entsprechend filtert und der Personalabteilung nur die Bewerbungen männlicher Kandidaten vorschlägt.

Auch wenn die Trainingsdaten unvollständig sind, kann dies zu Diskriminierungen durch KI führen. Wenn z. B. eine Gesichtserkennungssoftware nur mit den Bildern weißer Menschen trainiert wurde, ist das Risiko hoch, dass diese die Gesichter schwarzer Menschen nicht erkennt – ein in der jüngeren Vergangenheit vieldiskutiertes Problem, das vor allem dadurch zustande kommt, dass die Entwicklerteams nicht ausreichend divers sind. So sind in der IT-Branche überdurchschnittlich viele weiße Männer vertreten.

KI als Spiegel der Gesellschaft

Während man also die KI selbst nicht als diskriminierend bezeichnen kann, birgt sie dennoch ein Diskriminierungspotenzial, das vor allem dadurch zustande kommt, dass sie fehlerhaft programmiert wurde. Die KI hält uns also gewissermaßen den Spiegel vor, da in ihrer Programmierung unsere eigenen Vorurteile zum Vorschein kommen. Die Anwendungsfelder der KI sind jedoch äußerst vielfältig und nicht überall ist die Gefahr der Diskriminierung gleich groß. Chancen unser Leben zu erleichtern, bietet sie zahlreiche. Gerade auch für das Älterwerden verspricht KI viele Vorteile. Sie kann z. B. dafür eingesetzt werden, möglichst lange in den eigenen vier Wänden zu leben. So können heute ganze Wohnungen und Häuser mit KI-Technologien ausgestattet (Smart Home) und an die Bedürfnisse älterer Menschen angepasst werden (Ambient Assisted Living): Mit automatisierten Beleuchtungssystemen, digital gesteuerten Jalousien, smarten Thermostaten, Sprachassistenten, aber auch Notfallsystemen oder Sturzerkennung durch Sensoren im Boden. Bei den Vorteilen, welche die KI beim Älterwerden potenziell bietet, ist es derzeit jedoch eine wichtige Frage, wie die Technologien in die Breite gebracht werden können, damit möglichst alle, unabhängig von den persönlichen finanziellen Verhältnissen, davon profitieren.

Auch hier zeigt sich, dass wir als Gesellschaft gefragt sind, dass die Technologien nicht nur zum Wohle aller eingesetzt werden, sondern auch für alle gesellschaftlichen Gruppen zugänglich sein müssen. KI ist also nicht nur ein Spiegel der Gesellschaft, wenn es darum geht, diskriminierende Denkmuster zu erkennen, die sich in ihre Programmierung geschlichen haben, sie stellt uns auch vor die Herausforderung gleiche Zugangs- und Teilhabechancen zu schaffen.

 

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Redaktion: Matthias Röck

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